Von Hà Giang nach Cao Bằng
Die Fahrt auf dem Hà Giang Loop hat mein Rücken mir übelgenommen.
Auch am Morgen danach ist klar, dass das Ganze nicht die beste Idee war.
Meine Phở muss mir ins Zimmer gebracht werden, denn jeder Schritt ist eine Qual.
Das Servieren übernimmt die Chefin des Hauses persönlich. Sie stellt die Schüssel auf den Tisch und fragt mit Gesten nach meinem Rücken.
Meine Miene sagt wahrscheinlich alles.
Daraufhin verschwindet sie und kommt wenige Minuten später mit einer Creme in der Hand zurück. Und ehe ich mich versehe, bekomme ich eine
Rückenmassage. Eine, die ich als professionell bezeichnen würde. Offenbar ist dieses Können hier in Vietnam so selbstverständlich wie
Nudelsuppe zum Frühstück 🤷♀️
Winnie, unsere englischsprachige Kontaktperson hier, hat auf unsere Bitte schon gestern das Auto bestellt,
mit dem wir auch hergekommen sind: Diesen Vinfast VF9. Nur ist der Fahrer ein anderer.
Wir zahlen 3.400.000 Dong, was im April 2025 etwa 115 € sind.

Kurz nach zehn verlassen wir die Skybay Lodge wieder mit unserem neuen Lieblingsauto.
Weit fahren wir nicht. Ein paar Straßen weiter befindet sich das Massagestudio, in dem wir schon vor zwei Tagen waren. Hier machen wir Halt
und überreden den Fahrer, das Geschenk einer Massage anzunehmen. Auch Rainer genießt eine Thai-Massage. Ich dagegen entscheide mich für ein
„Power-PainKill-Combo“. Letzteres ist eine besondere Erfahrung. Es beginnt mit einer halben Stunde spezieller Massage/Akupressur, bei der der
Therapeut sofort meine Schmerzpunkte findet – ohne dass ich sie ihm zeigen muss. Es folgt eine Akupunktur.
Ich kenne Akupunktur – dachte ich.
Das hier ist eine andere Klasse. Die Nadeln werden von einem Akupunkteur mittels eines Röhrchens „eingeschossen“ und dann von einem zweiten
Behandler mit zwei Hölzern, deren Spitzen glühen, erhitzt. Über dem Ganzen strahlt ein tiefrotes Licht.
Ich bin begeistert!

Hier bat ich eigentlich die Therapeutin ein Foto zu machen wie die Nadeln geheizt werden...
Und später sehe ich dann dieses Bild auf meinem Smartphone 😉
Danach fühlt sich alles wunderbar entspannt an. Wahrscheinlich wäre jetzt ein Ruhetag perfekt. Aber den haben wir nicht. Direkt nach dieser Prozedur
folgt eine sechseinhalbstündige Fahrt. Immerhin verwandle ich meinen Sitz in einen Liegesitz.
Und so gibt es nur sehr wenige Fotos von der Landschaft, die ich mache. Das muss Rainer übernehmen.


Wir fahren auf der QL34. Bis Cao Bằng sind es laut Google Maps etwa 231 Kilometer.
Als ich dieses Schild sehe, könnte ich fast verzweifeln. Nach zwei Stunden Fahrt sollen wir gerade mal 37 Kilometer geschafft haben?
Und noch weitere 194 Kilometer sollen folgen? Das kann doch nicht sein.
Da kommen wir ja wohl erst mitten in der Nacht an!


Der Fahrer entpuppt sich als äußerst nett. Auch er spricht kein Englisch. Aber zum Glück haben wir unsere Übersetzer-App. So entstehen ein paar überraschend nette, persönliche Gespräche.
Ach ja. Zu allem Übel habe ich seit heute eine laufende Nase, gefolgt von Reizhusten.
Und natürlich wird das im Laufe der Fahrt nur noch schlimmer.
In einer kleinen Siedlung bleiben wir plötzlich stehen. Der Fahrer verschwindet in einer Bretterbude und kommt kurz darauf mit einer kleinen
Schachtel zurück. Dank Übersetzer-App erfahren wir, dass diese "Bretterbude" eine Apotheke war (die wir niemals als Apotheke erkannt hätten)
und dass dies hier Nasentropfen für mich sind. Dieses Mittel bekommt gerade seine Tochter, die ähnliche Symptome hat, sagt er.
Was für eine großartige Geste!
Die wahre „Schuldige“ für meinen grippeartigen Zustand habe ich sofort ausgemacht: Das rotzende Mädchen im Spa, in dem wir das heiße Kräuterbad
genommen haben. Ich ahne Schlimmes 😏
Irgendwann machen wir Pause. Der Ort kann kaum schöner sein.



Impression von der weiteren Reise.
Klar ersichtlich: Wir werden das Reich der Karstfelsen nicht verlassen.

Mitten in der Nacht erreichen wir Cao Bằng. Nicht direkt Mitternacht. Aber es ist stockdunkel.
Ständig schaue ich erwartungsvoll, wie weit es noch bis zum Hotel ist. Ehrlich gesagt bin ich erleichtert, als wir endlich eine sehr breite
Schnellstraße erreichen. Von hier aus sollten es nur noch fünf Minuten sein, bevor wir am Check-in stehen. Doch alles verläuft anders.
Der sonst so souveräne Fahrer, der stundenlang die engen, kurvigen Straßen im Karstgebiet gemeistert hat, schleicht nun völlig ängstlich über
die 58 Meter breite, taghell erleuchtete Vo Nguyen Giáp. Wir könnten doch schon längst da sein. Hier darf man 50 km/h fahren – doch wir
tuckern mit 25 km/h.
Warum?, fragen wir.
Seine Erklärung ist simpel. Fährt man schneller als 50 km/h, wird die Konzession entzogen.
Das erschließt sich uns nicht ganz. Schließlich sehen wir da bis 50 km/h noch ziemlich viel Luft nach oben...
Aber ja. Auch das überstehen wir. Und so richtig böse können wir ihm auch nicht sein. Schließlich ist er so wunderbar gefahren.
Den Eingang zum Hotel kann man kaum übersehen. „Kaum“ heißt aber nicht: „Es ist unmöglich“. Denn wir fahren glatt daran vorbei.
Jetzt werden wir schon ein wenig ungeduldig und drängen ihn, zu wenden. Der Geduldsfaden ist kurz vor dem Reissen!
Das Ganze erinnert ein wenig an unsere erste Fahrt ins Mekong-Delta. Auch damals konnte der Fahrer das Navi nicht lesen.
Das Hotelpersonal kommt uns sofort entgegen, schnappt sich unser Gepäck und bringt es in die Lobby.
Beim Abschied fragt unser Fahrer, ob er uns morgen nach Ban Giốc bringen soll. „Ja, warum nicht?“ Bis dorthin sind es knapp 90 Kilometer.
Gut, dass Rainer fragt, wie viel er für diese Fahrt haben will. Als ihm zwei Millionen vorschweben – etwa 72 € – werfe ich einen Blick auf eine
Angestellte, die unübersehbar die Augen verdreht. Offensichtlich will uns der bisher so sympathische Fahrer hier doch glatt über's Ohr hauen.
Wir lehnen dankend ab und wünschen eine schöne Zeit.


Wir bekommen ein recht großes Zimmer in der oberen Etage. Viel bleibt vom Tag nicht mehr übrig. Rainer organisiert noch ein Abendessen
im Hotelrestaurant. Eigentlich möchte man nicht, dass Gäste auf dem Zimmer essen – doch wegen meines gesundheitlichen Zustands macht man eine Ausnahme.
Die Speisen, die uns serviert werden, sind nicht nur riesig, sondern auch sehr lecker.
Viel passiert an diesem Abend nicht mehr. Das tut mir für Rainer leid, aber ich bin zu nichts mehr fähig.
Im Gegenteil: Ein furchtbarer Husten, einer, bei dem gefühlt die Lunge gleich mitkommt, quält mich die halbe Nacht.
Die Khuổi Hân Ecolodge ist unser vorletzter Halt hier im nördlichsten Zipfel Vietnams.
Die ist sehr idyllisch in den Berglandschaften von Cao Bằng gelegen. Aber das sehen wir erst am nächsten Morgen.

Fenster auf – Sonne rein. Fast wie aus der Werbung.
Die Aussicht auf die Berglandschaft ist grandios. Auch der Pool ist einladend. Das Ambiente lädt einfach zum Verweilen ein und dazu das grandiose
Wetter!
Direkt unter uns liegt ein herrlicher Pool.
Kurz überlegen wir die andere Unterkunft zu skippen und hier zu verlängern. Entscheiden uns dann doch dagegen.


Die gesamte Anlage ist sehr gut gepflegt.
Die Holzkonstruktionen verleihen ihr ein uriges Ambiente.
Gefällt uns.




Wofür wir uns jedoch entscheiden, ist die Suche nach einem geeigneten Arzt.
Den soll es im Krankenhaus für traditionelle Medizin geben. Also geht’s flugs mit dem Taxi dorthin. Mit der Übersetzer-App finden wir zwar die
richtige Abteilung, doch der Empfang gleicht einer Vollbremsung. Die Dame kann oder will uns nicht verstehen. Hätten wir mit der Übersetzer-App
nicht schon seit Jahren beste Erfahrungen gemacht, würde ich denken, sie spuckt nur Murks aus.
Hier kommen wir jedenfalls nicht voran.
Das Resümee: In diesem Krankenhaus kann oder will man mir nicht helfen.
Und ehrlich gesagt – wenn ich mich so umschaue – will ich mich auch gar nicht hier behandeln lassen.
Während Rainer also versucht, die Dame am Empfang wenigstens zur Herausgabe der Adresse des konventionellen Krankenhauses zu bewegen und uns zudem
ein Taxi zu organisieren, schleiche ich langsam Richtung Ausgang. Im Gang erklingt plötzlich die „Internationale“ … ok, alles richtig entschieden.
Im offenen Gang warte ich auf der Bank. Schon kurze Zeit später scheint das gesamte Personal zu wissen, wer ich bin.
Lange Rede, kurzer Sinn: Ein Taxi soll uns zur Akupunktur-Praxis bringen, doch diese existiert nicht mehr. Geduldig sucht der Fahrer und fragt
sogar Anwohner. Aber ohne Erfolg. Zuletzt verzichte ich auf den Besuch des anderen Krankenhauses.

Wir brechen ab, holen in der Lodge unser Gepäck, und ein weiteres Taxi soll uns zum nächsten Homestay bringen.
Der Fahrer, ein junger Mann, erweist sich wieder einmal als Glücksgriff. Er hat einen wirklich guten Fahrstil. Als wir ihm während der Fahrt
verklickern, dass wir unterwegs noch eine Attraktion sehen möchten, ist das für ihn überhaupt kein Problem. Er stimmt sofort zu und fährt uns
so weit wie möglich an den Trail. Den könnten wir erwandern oder mit dem Moped abfahren – beides ist für uns keine Option. Doch allein der Anblick
entschädigt.
God’s Eye
Das Bild des ungewöhnlichen Karstfelsens mit Loch, genannt God’s Eye, hatte ich bereits bei der Vorbereitung in einem Instagram-Post entdeckt. Es war allerdings nicht einfach, den richtigen Standort herauszufinden. Leider gibt es immer wieder Witzbolde, die ihn bei Google Maps einfach falsch markieren: Diese Erfahrung kennen wir ja schon von den Waterwheels in Pù Luông. Aber nun stehen wir hier und sind begeistert!
God’s Eye (vietnamesisch: Núi Mắt Thần - das wörtlich übersetzt Auge des Berggottes heisst), liegt etwa 32 Kilometer nordöstlich von Cao Bằng,
eingebettet in die Seenlandschaft von Thang Hen im Non Nước Cao Bằng Geopark.
Ein gewaltiges, natürliches Loch mit über 50 Metern Durchmesser prägt den Gipfel des felsigen Turms.
"Bei Sonnenaufgang fällt das Licht durch das „Auge“, heisst es. Guter Hinweis - beim nächsten Mal.
Während Rainer schnell noch die Drohne aus dem Auto holt, versuche ich, ein schönes Foto vom Felsen einzufangen. Doch definitiv lässt sich nicht wiedergeben, wie beeindruckend er mit eigenen Augen wirkt.


Der God’s Eye Felsen ist nicht nur wegen seines markanten Lochs beeindruckend, sondern auch geologisch faszinierend. Seine heutige Form verdankt er tektonischen Bewegungen während der Neotektonik Phase, die vor rund 5 Millionen Jahren begann und das Gebiet bis heute prägt. Dabei wurden die Karstformationen angehoben, Klüfte und Öffnungen verstärkt und die charakteristische „Auge“-Form geschaffen. Millionen Jahre Erosion durch Wasser und Wetter vollendeten das Naturwunder, das wir nun vor uns sehen.
Erst Dank Drohni ist die wahre Dimension zu erkennen. In dem Auge, das man aus der Ferne von etwa 160 Metern auf vielleicht zehn Meter einschätzen würde, sieht man dass im Inneren der Öffnung ein ganzer Wald voller Bäume steht.




Karstfelsen gibt es hier wie Sand am Meer.
Kaum wende ich den Blick, ragt schon der nächste beeindruckende Koloss auf, der unbedingt ins Foto will.


So geht es weiter
Der Zwischenstopp am God's Eye war mal ein lohnenswerter Umweg.
Anschließend geht‘s nach Bản Giốc, einem kleinen Ort direkt an der chinesischen Grenze. Abgelegen, ruhig und von beeindruckender Landschaft umgeben.
Genau hier soll unsere nächste Unterkunft liegen. Doch bevor wir wirklich ankommen, wartet erst einmal ein kleines Abenteuer auf uns.
Denn ein "Lan‘s Homestay" ist unbekannt.
Der Fahrer ist super geduldig. Wir machen uns auf den Weg zur richtigen Unterkunft. Doch das ist gar nicht so einfach.
Es stellt sich generell die Frage: Gibt es das gebuchte Haus überhaupt?
Und die andere: Werde ich die Gegend in meinem Zustand überhaupt erkunden können?